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Die Äußeren Hebriden - heiter bis stürmisch

  • Autorenbild: Alex Milz
    Alex Milz
  • 11. Juni
  • 16 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 17. Juni


Die Äußeren Hebriden liegen wie ein Schutzring vor dem schottischen Festland. Karibische Strände, unberührte Natur – und Atlantikwinde die den Himmel in Bewegung halten. Das sind beste Aussichten für ein Inselabenteuer mit dem Motorrad



Überall an der zerklüfteten Küste unermüdliche Legionen weiß gekrönter Wellen, die gegen den unbeugsamen Stein schwarzer Klippen anbranden (Peter May)

Die kleine Imbissstube direkt am Hafen duftet nach Kaffee und frischgeröstetem Toast. Die Stühle und Tische sind etwas in die Jahre gekommen, so wie die Plastiktischdecken mit ihren Karomustern. Draußen biegt der Wind gerade die Regenfäden krumm und peitscht sie über die Mole vor sich her. Um nichts in der Welt möchten wir jetzt da draußen sein. Der Besitzer der Imbissbude lächelt. Er zeigt nach draußen, wo gerade die Fähre anlegt und sagt zu uns: "Das kann im Minch heute etwas unruhig werden, aber keine Sorge, der Pott ist groß genug". Außerdem, fügt er hinzu, wäre das für diese Jahreszeit eher normal. Aber keine Sorge, draußen auf See pustet der Wind die Wolken eh wieder auf Seite.



Die Fähre legt pünktlich ab. Mit halber Kraft schiebt sich der Stahlkoloss durch den Loch Broom um dann nach 20 Minuten den Minch zu erreichen. Es ist die Meerenge, die das Festland von den Äußeren Hebriden trennt. Diese Inselgruppe spannt sich mit ihren über 500 Eilande wie ein natürlicher Schutzring vor dem Festland auf und bricht die heranrollenden Wellen des offenen Atlantiks. Unser Ziel ist Stornoway, die Hauptstadt von Lewis und Harris, so nennt sich der Nordteil der Äußeren Hebriden. Für die 30 Kilometer braucht die Fähre zwei Stunden und vierzig Minuten und gerade heute ist eine gewisse Seetauglichkeit im rauen Minch durchaus von Vorteil.



„Nein, das sind keine zwei Inseln“, erklärt mir Andy Scott, der Fährkapitän. „Lewis ist der Nordteil und Harris ist der Südteil derselben Insel. Andy arbeitet nun schon seit 17 Jahren für die Fährgesellschaft Caledonian MacBrayne. „Dem Herrn gehört die Erde und alles, was sie enthält, außer den Meerengen und den westlichen Inseln, sie gehören den MacBraynes“. Andy lacht, als er den humorvollen Seitenhieb auf den Psalm 24:1 zitiert. Da ist was Wahres dran. Calmac, wie sie von allen nur genannt wird, ist nicht nur größter Arbeitgeber an der Westküste, sondern auch wichtige Lebensader der hier draußen lebenden Menschen.


Kapitän Andy Scott
Kapitän Andy Scott
Connor der Maat
Connor der Maat

Stornoway, die Inselhauptstadt ist beschaulich und die wenigen Menschen auf der Straße wirken tiefenentspannt. Eile scheint es hier nicht zu geben und hier kennt jeder jeden. Das erzählt uns Lina, die ursprünglich aus Wuppertal kommt und so gut schottisch spricht, dass kein Einheimischer sie als Deutsche erkennen würde.


Die Uhren braucht man nur für die Ankunftszeit der Fähre. Sonst bestimmen Gezeiten und Wetter den Lebensrhythmus hier draußen

Wir treffen sie im Camerons, einer Fish & Chips Bar am Hafen. Vor vier Jahren hat sie Ihr Herz an diesen Außenposten Schottlands verloren und ist direkt geblieben. Von den 50.000 Einwohnern Anfang des 20. Jahrhunderts sind heute nur noch knapp 26.000 Menschen übrig. Ob die Uhren hier anders ticken? „Klar“, sagt sie, „die Uhren braucht man nur für die Ankunftszeit der Fähre. Sonst bestimmen Gezeiten und Wetter den Lebensrhythmus hier draußen“.



 


Seit Jahrhunderten gehen die Menschen auf den Äußeren Hebriden ihren eigenen Weg – trotz aller Entbehrungen und entgegen den Plänen einflussreicher Männer, die versuchten, die Insel nach ihren Vorstellungen zu formen. Ein Zeugnis dieser Geschichte ist das Lews Castle, der einzige Prunkbau dieser Art in der Region. Errichtet wurde es ab 1844 von Sir James Matheson, der durch den Opiumhandel reich geworden war. Nachdem er Millionen von Chinesen in die Sucht getrieben hatte, kaufte er die gesamte Insel Lewis und investierte in Fischerei und Torf – doch seine Pläne scheiterten. Später übernahm Lord Leverhulme, der Gründer von Unilever, das Anwesen mit dem Ziel, die Insel industriell zu modernisieren. Doch auch er musste erkennen, dass die Menschen ihre entbehrlich geprägte Freiheit mehr liebten als alles andere. All das erfahren wir bei einem stilvollen Afternoon Tea, der uns in den prächtigen Räumen von Lews Castle serviert wird. Am Ende sind wir nicht nur pappsatt, sondern auch für den anstehenden Roadtrip bestens eingestimmt. Die Menschen hier draußen haben eine erstaunliche Widerstandskraft entwickelt – das wird an diesem Ort besonders deutlich.



Es sind eben nicht nur Klima und Landschaft, die Mentalitäten formen, sondern auch die kleinen und großen Katastrophen. Ein Ereignis aus der jüngeren Vergangenheit hat seinen erschütternden Beitrag dazu geleistet.



Heimkehr in den Tod - Die Tragödie der Iolaire


Am östlichen Rand von Stornoway fahren wir einen schmalen Damm hinaus zur Landspitze Holm. In Sichtweite des Hafens von Stornoway liegt hier ein Ort, der durch ein historisches Unglück bis heute tief im kollektiven Gedächtnis der Insel verankert ist.


In der Silvesternacht 1918 auf 1919 kam es wenige Meter vor der Küste zu einer Katastrophe. Das Schiff HMY Iolaire, eine ehemalige Yacht der Royal Navy, war mit rund 280 Soldaten an Bord auf dem Rückweg von der Front. Die meisten von ihnen stammten von den Äußeren Hebriden – von Lewis und Harris – und hatten den Ersten Weltkrieg überlebt. Die Heimkehrer befanden sich auf den letzten Metern ihrer Reise, der Hafen lag bereits in Sichtweite. Doch um 1:55 Uhr in der Nacht lief das überladene Schiff bei schwerem Seegang auf die gefährlichen Felsenformationen Beasts of Holm auf – kaum zwanzig Meter vom Ufer entfernt. Die Iolaire sank in unmittelbarer Nähe zum rettenden Land. Über 200 Männer kamen ums Leben, nur etwa 79 überlebten.



Die Ursachen für das Unglück wurden später in mehreren Verfahren untersucht: Navigationsfehler, mangelhafte Sicherheitsausstattung, fehlende Schwimmwesten und unzureichende Kommunikation an Bord wurden als zentrale Versäumnis. Der Name des Schiffs – Iolaire, gälisch für „Seeadler“ – wurde später zum Symbol für ein tragisches Schicksal, das viele Familien der Insel betroffen hat. Fast jede Familie verlor einen Angehörigen. Das Ereignis steht heute exemplarisch für die oft übersehene Tragik der Heimkehr vom Krieg – ein Sinnbild für den Schmerz, der bleibt, wenn Hoffnung sich auf den letzten Metern in den Tod verkehrt.


Die schottische Band Skipinnish widmete dem Ereignis ein Lied mit dem Titel ‚The Iolaire‘. Der Refrain geht unter die Haut und berichtet von dieser furchtbaren Nacht.


Island men, I hear them calling

Sing to me the Island Ocean

Killed in vain, I see them falling

Oh take me west and worlds away

From the futile fields of war


Inselmänner, ich hör’ ihren Ruf,

sing mir das Lied des Inselmeers.

Umsonst gefallen – ich seh’ sie stürzen.

Trag mich fort, weit fort nach Westen,

fort aus den sinnlosen Feldern des Kriegs.




Von Torf, Tang und Tradition – Schwarze Häuser und weiße Strände


Kurz hinter Stornoway biegen wir von der Hauptstraße auf die einspurige Pentland Road ab, die uns quer durch die Torffelder von Lewis führt. Weit und breit kein Baum, nur eine mondähnliche mit Sträuchern übersähte Moorlandschaft mit unzähligen dunklen Torftümpeln. Immer wieder passieren wir frisch gestochene Torfhügel, die übereinandergeschichtet für einige Wochen auf den Feldern ablagern. Hier reduziert sich die Landschaft auf die Urelemente. Wasser, Erde und Luft und wenn der Torf in den Öfen brennt, sind die Elemente vereint.



An der Westküste angekommen biegen wir nach Norden ab. Unser Ziel ist der nördlichste Punkt der Hebriden – das Butt of Lewis, das „dicke Ende“ und das ist es in der Tat. Laut dem Guinness Buch der Rekorde gehört dieser Ort immerhin zu den windigsten Plätzen in Großbritannien. Den ersten Vorgeschmack davon bekommen wir mit einem steifen Westwind geliefert, der uns feucht auf den nächsten 41 Kilometern zum Butt immer wieder in Schräglage drückt. Regen und Wind herrschen hier unangefochten. Doch der Mühe Lohn ist am Ende ein Leuchtturm und eine realistische Chance auf Delfine und Zwergwale. Es sind zwar nur die Delfine, die uns hier draußen kurz grüßen. Für die Wale braucht es bisschen mehr Geduld, sagt uns ein Wanderer, der mit großem Rucksack und Fernglas schon seit einiger Zeit an den Klippen steht und erfolglos Ausschau nach dem Meeressäugern hält.



Mangels Alternativen geht’s auf demselben Weg zurück. Die Äußeren Hebriden sind so überschaubar, dass sie nur mit einer Hauptstraße auskommen. Es ist meditativer Ritt durch die grünbraune Torfsteppe. Nach 41 Kilometern weist ein Schild zum Dalbeg Beach. Ein paar Meter weiter liegt die erste einsame Bucht. Der Sand strahlt in einem makelosen Beige. Die Schotten nennen das in Anlehnung an ihr Mürbegebäck shortbreatfarben.


Ob es nun bewölkt ist oder die Sonne sich blicken lässt, hier entsteht echtes Karibikfeeling mit nordischer Brise. Doch das klingt romantischer, als das Leben in den vorherigen Jahrhunderten hier draußen war. Nur vier Kilometer südlich erzählt das Blackhouse von dem entbehrungsreichen Leben der Inselbewohner. Direkt an einer verwinkelten Bucht liegt dieses historische Dorf (gälisch: Na Gearrannan) Die dunklen reetgedeckten Steinhütten mit ihrer originalen Einrichtung erzählen vom einfachen, harten Leben der Inselbewohner um 1900er Jahre. John, so sagt uns die Dame im Museumsshop mit Bedauern hat heute leider frei. Er ist der Weber, so sagt sie, der allen hier zeigt, wie der historische Webstuhl mit Muskelkraft und Webschiffchen der berühmte Harris Tweed herstellt. 



Im weiteren Verlauf schlängeln wir uns am Loch Roag an Ear entlang. Die Felsen der Küste vermischen sich hier mit braungrünen Moorteppichen aus dem Landesinnern. Der beständige Atlantikwind hält die Wolken in Bewegung und verhindert, dass sie sich dauerhaft sammeln. Immer wieder bricht die Sonne durch und entfacht immer wieder neue Farbtöne in der Natur.



Das gipfelt dann auf einer Anhöhe bei den Callanish Stones in eine dichte und magische Atmosphäre. Rechtzeitig zur goldenen Stunde lässt die durchbrechende Sonne diese 5000 Jahre alte Steinkreis noch geheimnisvoller und stimmungsvoller wirken als sonst. Diese jahrtausendalten stummen Zeitzeugen haben es sogar geschafft als Vorlage für den fiktiven Steinkreis Craigh na Dun in der Serie Outlander zu dienen.





Wir haben in Schottland bisher sehr gute Erfahrungen mit Umwegen gemacht. Daher entscheiden wir uns beherzt für einen Abstecher zum westlichen Teil von Lewis. Eine kleine Straße windet sich durch eine enge Schlucht und über sanfte Hügel zu zwei abgelegenen Stränden - Bosta Beach und Valtos Beach. Beide Strände liegen in weitläufigen Buchten mit goldenem Sand, umgeben von grünen Hügeln und zerklüfteten Felsen. Nach einem felsigen Rundweg mit weiten Blicken auf die vom Atlantik zerfurchten Buchten finden wir an den karibischen Stränden noch dazu beste Bedingungen für wildes Campen vor – sogar mit über uns kreisenden Steinadlern. Für einen Moment kommt Bedauern auf, dass wir so ganz ohne Zelt unterwegs sind.





Im weiteren Verlauf wird die Landschaft bergiger und die Straße windet sich kurvenreich nach oben. Die höchste Stelle erreichen wir einem Aussichtspunkt, der direkt oberhalb des kleinen Bauerndorfes Maraig liegt. Unter uns erstreckt sich der Loch Shiphoirt, mit 20 Kilometern der längste Fjord der Hebriden. Jetzt sind wir in North Harris angekommen. Auch hier ist es baumlos. Doch anders als in den Highlands war es nicht nur der Mensch, der für diese Kargheit verantwortlich ist. Vielmehr hat die Natur vor 4000 Jahren mit einem feucht-kalten Klima kräftig mitgeholfen. Die Bäume starben ab und im Laufe der Jahrtausende entstanden so die riesigen Torfvorkommen.




Zwischen Himmel und Stein – Die stille Wildnis von Harris


Nach sieben Kilometern zweigt rechts eine der sternförmigen Sackgassen ab. Eine gut asphaltierte Singletrack Road schlängelt sich elegant oberhalb der Meerenge des Soay Sounds vorbei bis zum Dorf Huisinis. Felsen, Torf und kleine Moortümpel zeigen sich auf den nächsten 30 Minuten gut aufeinander abgestimmt. Am Ende werden wir erneut mit einem vom Atlantik weißgespülten Strand belohnt. So viele Kaffee- oder Teepausen kann man kaum machen, wie die Natur die Reisenden hier auffordert. Wir könnten in diesem azurblauen Wasser sogar eine Runde schwimmen, da die Bucht durch eine Landzunge vor gefährlichen Strömungen geschützt ist, doch bei 8 Grad Wassertemperatur fällt uns der Verzicht leicht.







Direkt hinter Tarbert präsentiert uns Harris mit der Golden Road eine weitere kurven- und hügelreiche Strecke, die sich entlang der Ostküste von Grosebay bis Meavag an der rauen Küstenlinie des Minch entlangschlängelt. Der Weg ist ein einziges Auf und Ab durch felsige, moosbedeckte Minischluchten, kleine Sumpftümpel und steile Klippen. Die Vorgärten der wenigen Häuser versuchen mit ihren akkurat angelegten Beeten, einen Kontrast zum Wildwuchs der Felsenlandschaft zu bilden – mit mäßigem Erfolg, denn dafür sind es einfach zu wenige. Auf halber Strecke verlieben wir uns noch in eine Gruppe Kegelrobben, die sich hier auf den Felsen ausruhen, dann ein kurzer Tankstopp an einer der raren Tanksäulen und wir rollen weiter zur Westküste.



Die Äußeren Hebriden sind viel zu schade für eine kurze Stippvisite oder sie gar bei einer Schottlandreise ganz außen vor zu lassen.

Umspült vom azurblauen Wasser des Atlantiks liegen hier die beiden Strände Scarista und Luskentyre. Zusammen mit den glattgeschliffenen Karstbergen von Harris im Hintergrund sind sie die Stars hier. Jedes Outdoor-Magazin würde dieses Südsee-Panorama auf die Titelseite setzen – das ist sicher. Spätestens hier wird für uns klar: Die Äußeren Hebriden sind viel zu schade für eine kurze Stippvisite oder sie gar bei einer Schottlandreise ganz außen vor zu lassen.



Ab Leverburgh setzen wir mit der Fähre zur Halbinsel Berneray über. Auf den Insel Uist wird es noch ruhiger und der Verkehr findet nur noch sporadisch statt. Dort verstärkt sich das Südseefeeling nochmals – vor allem am fünf Kilometer langen, fast menschenleeren Strand der Halbinsel. An den Dünenrändern erstrecken sich sogar Felder, übersät mit roten und gelben Wildblumen. Die Natur hat mit einer Mischung aus Torf und Muschelsand – dem Machair – eine fruchtbare Bodenmischung hinbekommen.





Über einen Damm verlassen wir Berneray und rollen weiter in den Süden von Uist. Im weiteren Verlauf rückt das Meer von beiden Seiten immer näher. Teilweise schlängelt sich die Route über Dämme durch die vielen Seen mit ihren perforierten Landstücken. Die A867 quert die kleine Inselgruppe Benbecula und erreicht nach nur zwölf Minuten South Uist.



Hier draußen steht eine 50 Meter hohe Mutter Gottes Statue aus weißem Granit – die Lady of the Isles. Da sie etwas versteckt auf einem Berg steht, rauschen hier viele vorbei. Doch ohne diese Statue würde es diese Verbindung heute nicht mehr geben. Das britische Militär plante nach dem Zweiten Weltkrieg genau hier den Bau einer Raketenabschussrampe – mit der Folge, dass alle Bewohner hätten umgesiedelt werden müssen. Der Dorfpriester mobilisierte den Widerstand, der 1954 in der Errichtung der 50 Meter hohen Statue mündete. Am Ende gab es einen Kompromiss – aus der Abschussrampe wurde nur ein Testgelände und die Menschen konnten hier wohnen bleiben.



Alle Verkehrs- und Hinweisschilder sind auf den Äußeren Hebriden übrigens auf Gälisch - Englisch ist hier draußen nur der Untertitel. Ein Großteil der etwa 70.000 Menschen, die noch täglich gälisch sprechen, leben auf den westlichen Inseln. Doch für alle Ungeübten sind die Laute und Betonungen eine echte Herausforderung. Es wird eben ganz anders betont als es geschrieben wird. So wird „Ceud mìle fàilte“ – herzlich Willkommen – etwa „Kaid Meela Faal-tsche“ ausgesprochen und das durchaus bekannte „Sláinte“ – Prost – etwa „Sl-ahn-tya“. Ich will es wissen und besorge mir in einem der vielen Souvenirläden ein Übungsbuch für Gälisch. Ich versuche mein Glück und scheitere immer wieder an den vielen Kehllauten, die sonst so melodiöse Sprache zum Klingen zu bringen.


Ceòlas – Gälisch im Herzen


Die gälische Sprache ist so anders, so fremd und unzugänglich für mich, dass ich keinen rechten Zugang finde – und das, obwohl mir Sprachen eigentlich leichtfallen. Daran ändert auch das kleine Übungsbuch nichts. Wirklich garnichts lässt sich herleiten – die Buchstaben ergeben bloß einen sinnlosen Salat für mich. Doch der Sprache in den Liedern und Gedichten zu lauschen, ist magisch. Zusammen mit der Musik dringen diese Worte ohne Umschweife in die Seele vor. Vielleicht lässt sich das Gälische ja gar nicht mit dem Verstand begreifen?


Als ich vor dem schlichten Gebäude des gälischen Kulturzentrums Ceòlas Uibhist am Rande des kleinen Dorfes Lochboisdale stehe, erhoffe ich mir einen Zugang zu dieser mir fremden Welt, die mich so magisch anzieht. Ich treffe John Joe MacNeil, den Leiter dieser gälischen Volksschule. Mit einem rollenden schottischen Englisch begrüßt er mich herzlich.


„Was wir hier im Ceòlas machen, ist: gälisches Wissen, das du nicht in Büchern findest, durch Sprache, Musik und Tanz weiterzugeben. Dann wird er ganz Lehrer. Er lässt mich das Wort Ceòlas so lange aussprechen, bis ich einigermaßen den Rhythmus der Laute erfasst habe. Mein letzter Versuch – „Kyo - lass“ – scheint ihn zufrieden zu stellen. „Ja, so ähnlich – jetzt hast du’s fast. Das ist dein Einstieg in die gälische Welt. Den Ceòlas heißt nicht nur Musik, sondern meint Klang, Melodie, Gesang und Tanz - alles zusammen.


Gälisch wurde uns eingepflanzt wie Haferkörner, Rübensamen oder Kartoffeln, die jeden Frühling unter die Erde gepflügt werden.

John Joe ist auf der Nachbarinsel Barra grossgeworden. „Gälisch wurde uns eingepflanzt wie Haferkörner, Rübensamen oder Kartoffeln, die jeden Frühling unter die Erde gepflügt werden. Es schlug Wurzeln in den Gesprächen der Dorfbewohner, die sich auf den Bänken zum Schwatz trafen – oder vermehrte sich draußen auf den Feldern, wenn die kehligen Laute die monotonen Schnittgeräusche der Sicheln bei der Heuernte begleiteten”. Er lässt seine Hand ausladend kreisen: “Und hier trainieren wir das Gespür für die gälische Tradition – durch Musik, Tanz und Sprache. Es sind eben diese magischen Zutaten, die dieser rauen Welt der Hebriden eine Seele einhauchen.“ Nein, er hält mir keinen Vortrag – er spricht vielmehr von einer Leidenschaft, die sein Leben durchdringt. „Jetzt findet überall Unterricht statt, und du kannst mal ein Ohr in die Kurse halten, wenn Du magst“.


Liebliche Harfenklänge dringen durch den nüchternen Flur mit seinem Linoleumboden. Wir bleiben vor einer Tür stehen – von hier kommt die Musik. „Clàrsach“ steht darauf, und darunter der Name: Karen Marshalsay.John Joe klopft, die Musik verstummt. Er öffnet die Tür, und wir blicken in einen Stuhlkreis von gut zehn Personen. Alle halten eine kleine Harfe in den Händen. „Guten Morgen, wir haben Besuch aus Deutschland“, sagt John Joe. „Das ist Alex, und er will über uns schreiben.“Ein herzliches „Hallo“ kommt aus dem Raum – von Menschen aller Altersklassen.„Hier lernst du, die Clàrsach, unsere kleine gälische Harfe, zu spielen“, erklärt John Joe. Karen stimmt ein paar sanfte Töne an und ergänzt:„Die Clàrsach ist nicht laut, aber eindringlich. In ihrem Klang schwingen Wind, Wasser und das Rauschen der Wellen mit – und manchmal vielleicht auch das Flüstern der Ahnen.“Freundliches Nicken aus der Runde. Dann ziehen wir weiter.


Wieder klopft John Joe, stellt mich mit denselben Worten vor – wieder ein herzliches „Hallo“ aus dem nächsten Raum. Diesmal sind wir bei Kolten MacDonell, bei ihm dreht sich alles um die Fiddle.„Die Stimme ist das erste Instrument“, sagt John Joe, „doch gleich danach kommt die Fiddle. Sie ist für die gälische Kultur so zentral wie der Klang der Sprache.“Dudelsack und Tin Whistle folgen – die kleine metallene Flöte.Unser Rundgang endet beim Tanz in der großen Halle des Gebäudes.


Am Ende begreife ich das Gälische zwar noch immer nicht mit dem Verstand – aber ich ahne, dass man für diese Sprache Herz, Ohren, Hände und Füße braucht. Dann kann sich ihr Zauber entfalten.


Mit John Joe MacNeil
Mit John Joe MacNeil


Am Rand der Welt – Lummerland mit Landebahn


Über einen kleinen Damm erreichen wir mit der kleinen Insel Eriskay die südlichste Spitze von South Uist. Jetzt umzukehren wäre gegenüber der Insel Barra nicht fair, die den bewohnten Abschluss der Äußeren Hebriden im Süden bildet. Zumal es hier etwas Einzigartiges gibt.



Dieses „Lummerland der Hebriden“ hat den weltweit einzigen kommerziell betriebenen Flughafen auf einem Strand. Täglich kommt eine Linienmaschine mit 10-13 Passagieren aus Glasgow rüber. Der Flugplan richtet sich nach den Gezeiten, denn gelandet wird nur bei Ebbe. Lange müssen wir nicht warten, bis die dreimotorige Propellermaschine aufsetzt und das restliche Meerwasser aus den flachen Prielen aufwirbelt. Ein Schauspiel, dass die 40 minütige Überfahrt mehr als rechtfertigt.



Aber es gibt noch andere gute Gründe für eine Stippvisite. Einen Katzensprung später ist Castlebay, der Hauptort dieser beschaulichen Insel erreicht. Mitten in der Bucht thront das schlichte Kisimul Castle seit 600 Jahren auf einer kleinen Insel. Der Wohnsitz des Clans MacNeil war strategisch perfekt gelegen, da er nur mit dem Boot erreichbar ist. Das hat zwar die rivalisierenden Clans nicht davon abgehalten anzugreifen. Doch gestürmt wurde sie nie – eben gut gebaut! Seit Jahren hält sich übrigens das Gerücht, dass sich der berühmte belgische Zeichner Hergé für sein Comicabenteuer Die schwarze Insel von Kisimul Castle hat inspirieren lassen. Die Ähnlichkeit ist unübersehbar: Eine isolierte Burg, umgeben von Wasser, schwer zugänglich – und mit genau jener geheimnisvollen Aura, die Hergés Schauplätze so besonders macht. In einer späteren TV-Dokumentation (Dom Joly and the Black Island) wurde Kisimul Castle sogar als Drehort für „Tintins Black Island“ gewählt.


Ein schöner Gedanke: Dass ein entlegenes Schloss vor Barra nicht nur den Clan MacNeil beherbergte, sondern auch Eingang in die Popkultur fand, an dem die Gischt heute noch so hart gegen die Mauern schlägt wie damals in Hergés gezeichneter Welt.



Castlebay ist auch der südlichste Fährhafen der Region und bietet eine Verbindung zum Festland nach Oban an. Während der gut fünfstündigen Überfahrt bleibt ein wenig Zeit die Eindrücke dieser Inseltour sacken zu lassen. Und da gibt es einiges, was da nachsacken will.


Hier draußen spürt man schnell, dass es nicht nur die Landschaft ist, die beeindruckt – es ist das Gesamtbild: die Abgeschiedenheit, das entbehrungsreiche Leben, die Stürme, die Geschichten von Verlust und Überleben und der Zauber des Gälischen.

Und irgendwoher muss sie ja kommen – diese stille, tief verwurzelte Widerstandskraft der Menschen, die hier leben. Sie sind geprägt von Jahrhunderten, in denen man gelernt hat, mit dem auszukommen, was da ist, füreinander da zu sein – und trotz aller Härten das Herz offen zu halten.

"Seo dùthaich a’ chiùil, na faclan agus an dannsa – agus iad uile ag innse na h-aon sgeulachd."


„Dies ist ein Land der Musik, der Worte und des Tanzes – und sie alle erzählen dieselbe Geschichte.“



Die Strecken


Lewis und Harris bilden eine Insel, unterscheiden sich landschaftlich jedoch stark. Lewis ist von weiten Moorlandschaften und flachen Torffeldern geprägt, während Harris mit dunklen Bergen, weißen Stränden und türkisblauem Wasser fast tropisch wirkt.

Eine einzige Hauptstraße verbindet den Norden von Lewis mit South Uist, unterbrochen nur durch eine Fährverbindung. Abseits dieser Route gibt es fast nur einspurige Straßen, die auf Lewis meist sternförmig in Sackgassen enden, oft in abgelegenen Buchten mit fast südseeähnlichem Flair. In Harris sind die Straßen kurviger, besonders die Golden Road bietet spektakuläre Ausblicke auf die felsige Küstenlandschaft.


Auf Uist konzentriert sich das Straßennetz fast ausschließlich auf die Hauptstraße, die sich geradlinig durch die Insel zieht. Die Landschaft ist geprägt von einer flachen, perforierten Küste mit vielen kleinen Seen und Meeresarmen, die Land und Wasser ineinander übergehen lassen.




 Übernachtungstipps

 

Auf Lewis

 

B&B Bosta 12 Knocks, Stornoway

Oberhalb von Stornoway gelegenes B&B auf einem weitläufigen Gelände mit dörflichem Flair. Sehr herzliche und hilfsbereite Gastgeber. Colin, der Besitzer ist selbst passionierter Motorradfahrer.


Seapods, Aird Uig

Direkt an den Klippen gelegen Wohntonnen mit spektakulärem Blick auf das Gallan Head und den Atlantik.

 


Ardoil Sands Campsite

Der Ardoil Sands Campsite ist ein kleiner einfacher Campingplatz direkt am weiten weißen Strand von Ardoil Sands gelegen. Einfache Wasch- und Toilettengelegenheiten. Keine Vorabreservierung möglich

 

 

Auf Harris

 

Number 5 Drinishader

Eine Selbstversorger Unterkunft direkt an der Golden Road gelegen und nur 10 Autominuten vom Fährterminal Uig-Tarbert entfernt.

 

Likisto Blackhouse Camping

Vielfältiger wunderschön gelegener Campingplatz zwischen Rasenflächen und befestigten Stellplätzen. Es gibt auch 2 Jurten, die zur Miete angeboten werden.

 

Horgabost Campsite

Herrlich gelegener Campingplatz an der Westküste von Harris oberhalb der Horgabost Bucht direkt an der A859 in der Nähe vom Luskentyre Beach.

 

 

Auf Uist

 

Kelley`s Pod, Berneray

Ein Pod oberhalb der Bucht gelegen

 

Crofend Glamping, Heatherbell

Ein Pod direkt hinter dem Ortsausgang von Lochboisdale

 

 

Unbedingt anschauen

 

Callanish Stones

Magisch anmutender Steinkreis, datier auf 300 vor Christus auf einer Hochebene gelegen. Diente als Vorlage für den fiktiven Steinkreis Craigh na Dun in der Serie Outlander.


Lews Castle

Der neugotische Bau wurde zwischen 1844 und 1851 von Sir James Matheson erbaut, der sein Vermögen im Opiumhandel machte. Später wurde es von Lord Leverhulme, dem Gründer von Unilever übernommen. Beide hatten die Idee mit industriellen Projekten auf Lewis für Wohlstand zu sorgen. Doch beiden scheiterten und der gute Lord schenkte das Gebäude bereits 1923 der Gemeinde. Heute ist das restaurierte Schloss ein Hotel mit Museum und Veranstaltungssälen. Lews-castle.co.uk

  

Iolare Memorial

Ein schlichter Obelisk mit Gedenktafel nahe Stornoway erinnert an die Opfer eines tragischen Schiffsunglücks am 1. Januar 1919. Das Motorschiff Iolare sank das Schiff nur wenige hundert Meter vom Hafen entfernt, als sie heimkehrende Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg zurückbrachte. Über 200 Männer ertranken in Sichtweite ihrer Familien. Dieses traumatische Ereignis bringt jedes Jahr zum Gedenktag die gesamte Gemeinde auf die Beine.

 

Na Gaerrannan“ – Blackhouse Village

Museumsdorf mit gut erhaltenen strohgedeckten Farmhäusern mit originaler Einrichtung direkt an einer verwinkelten Bucht gelegen. Die gut restaurierten Häuser werden teilweise vermietet.

 

Bosta Beach

Ein idyllisch gelegener beiger Sandstrand, der von grünen Hügeln und türkisblauem Wasser umgeben ist, direkt in der Nähe von gut erhaltenen Überresten eines eisenzeitlichen Dorfes. Es gibt auch eine Gezeiten-Glocke, eine Kunstinstallation im Meer, die bei Flut läutet.

 

Valtos Beach

Umgeben von hohen Dünen und felsigen Klippen bietet der Valtos Beach mit seinem klaren, türkisfarbenen Wasser in einer geschützten Bucht, alles, was das „Robinson-Crusoe-Herz“ begehrt.

 

 

Gutes Essen

 

Camerons Fish & Chips

Im Camerons gibt es die Riesenfischstäbchen nur „auf die Faust“, knusprig und saftig, so wie sie sein müssen. Einmalig gut, ein kleiner Imbiss in einer Seitenstraße von Stornoway

 

The Storehouse Café im Lews Castle

Das kleine gemütliche Café in den prachtvollen Räumen des Lews Castle bietet neben Kuchen und Scones auch einen stilvollen Afternoon Tea mit hausgemachte Scones, Sandwiches und süße Leckereien, begleitet von feinen Teesorten. Die Aussicht auf die Bucht von Stornoway macht das Erlebnis noch einzigartiger. lews-castle.co.uk/storehouse-cafe

 

The Breakwater Cafe

Direkt am Ness Beach gelegenes kleines Cafe mit herrlichem Blick und einer gut sortierten Speisekarte, auch mit veganen Gerichten bei angenehmer und entspannter Atmosphäre.

 

Croft 36

Kleiner sympathischer Backladen in der Größe einer Gartenlaube mit Selbstbedienung direkt am Straßenrand gut 6 Minuten von Leverburgh entfernt. Eine frische Auswahl an Broten, Kuchen, Gebäck, Torten und Quiches werden selbst herstellt.

 

Barra Airport Cafe

Seit 2025 neu eröffnetes Café im Flughafengebäude des Highland & Island Airports mit Frühstücks- und Mittagstisch sowie direktem Blick auf die Strandpiste.

 

Berneray Shop und Bistro

Täglich gibt es frisch zubereitete Speisen an lokalen Gerichten. Auch zum Mitnehmen.

 

 


© Text & Bild: Alexander Milz (AlexOnRoad) 2025


 


 

 



 


3件のコメント


yamaniva
6月12日

Wenn mich jetzt jemand fragen würde, ob ich denn schon mal auf den äußeren Hebriden war (was nicht der Fall ist), dann könnte ich trotzdem ohne rot zu werden, mit einem überzeugten JA antworten & ihm in schillerndsten Farben von von diesem zauberhaften Landstrich mit den karibischen Stränden, den wilden Atlantikwinden und den sanften Klängen der Clàrsach berichten =)))))))


Herzlichen Dank für diese wundervolle Reise 🙏

steph

編集済み
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Jürgen Theiner
Jürgen Theiner
6月12日

.. wow .. WAS für ein Meisterwerk - als stände man mitten im Wind, mit dem Geruch des Torfs in der Nase und eiskalten Wassertropfen im Gesicht. Unfassbar eindringlich geschrieben! Vielen Dank dafür!

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123herbert123
6月12日

Sehr, sehr schön. Die Fotos, deine Schreibe, das Ziel…. Mal sehen ob ich dieses Ziel mal anpeile…..

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