top of page
  • AutorenbildAlex Milz

Apulien: Der Länge nach

Aktualisiert: 10. Sept. 2023

Uralte Pilgerorte, zipfelmützige Bauernhäuser und sagenumwobene Höhlenstädte: Apulien ist auf einer Länge von 800 km ein unverfälschtes Stück Italien. Eine mediterrane Motorradtour vom Sporn bis in den Stiefelabsatz zu den jahrhundertealten Olivenhainen des Salento.



Frühlingserwachen haben wir uns etwas anders vorgestellt. Es sind gerade mal sieben Grad, als wir hinter Termoli in den Naturpark Gargano abbiegen. Für uns ist es ein schwacher Trost, als uns der Tankwart von den 20 Grad der letzten Woche berichtet. Das Tiefdruckgebiet ist gerade dabei, sich hier so richtig breit zu machen. Für die geschundene Natur dieser Breitengrade ein Segen, für uns jedoch ein Kälteschock. Ein frischer Wind trifft uns von der Seite, als wir Strada Statale 693 in Richtung Lago di Varano abbiegen. Der felsige Stiefelsporn Italiens, der Gargano mit seinen mächtigen Eichen- und Buchenwäldern ist ein raues und ursprüngliches Stück Natur.



Der felsige Stiefelsporn Italiens, der Gargano mit seinen mächtigen Eichen- und Buchenwäldern ist ein raues und ursprüngliches Stück Natur.

Der griechische Held Diomedes soll hier zwei Steine ins Meer geworfen haben und mit einem lauten “Platsch” den Gargano erschaffen haben. Dieser Kerl muss eine imposante Erscheinung gewesen sein. Denn diese “Steine im Meer” ragen immerhin 1100 Meter aus dem Wasser. Die Kälte macht sich langsam im Körper breit. Wir schütteln uns kurz und ein paar Gasstöße weiter erreichen wir eine sandige Landzunge. Hier wird der größte küstennahe See Italiens von der stürmischen Adria getrennt. Ein Pinienwald schirmt die steife Brise wohltuend von uns ab. Jetzt zerrt nur noch der Fahrtwind am Helm. Gerade mal zwei Kilometer später beginnen endlich ein paar schwungvolle Kehren und leiten eine der schönsten Küstenstraßen Apuliens ein. Der Blick auf das Meer und die Küstenlinie lassen uns die frischen Temperaturen schlagartig vergessen.



Vor Vieste reißt dann endlich die Wolkendecke auf und die tiefstehende Sonne sorgt für rosa Pastelltöne am Abendhimmel. Der Ort selbst ist noch im Winterschlaf. Hier stehen die Stühle der Bars und Trattorien ineinander gestapelt am Rande und warten geduldig auf den Saisonstart. Und die wenigen offenen Restaurants sind sichtlich um die handvoll Reisenden bemüht.




Als wir den Foresta Umbra, den Schattenwald, durchqueren, fällt das Thermometer auf fünf Grad. Das größte zusammenhängende Waldgebiet Italiens dürfte es eigentlich hier in diesen Breitengraden gar nicht geben. Und doch stehen hier die Buchen und Eichen dicht an dicht. Der Gargano ist in vielerlei Hinsicht eine Besonderheit. Geologisch gesehen ist es ein Teil der dalmatinischen Küste. Und die Vermutung liegt nahe, dass unser Diomedes seine Steine von dort hat. Die letzten Schneereste am Straßenrand schrecken uns nicht. Der gestrige Tag hat uns bestens akklimatisiert. Ganze 40 Kilometer geht es kurvenreich über eine von vielen Wintern gezeichnete Asphaltpiste.



In Monte Sant Angelo stoppt der Höhenzähler des Navis bei exakt 800 Metern. Für Pilger schöpft der kleine Ort so richtig aus den Vollen. Denn hier oben liegt einer der ältesten Pilgerorte der westlichen Welt - die Wallfahrtskirche des Erzengels Michael, erbaut in einer Art Urhöhle der heiligen christlichen Stätten. Im Jahre 490 erschien der Erzengel hier erstmals einer Gruppe Bauern. Wer sonst über die schiere Größe von Kathedralen staunt, der wird hier von der Schlichtheit dieser heiligen Stätte überrascht. Und die dichte Atmosphäre macht selbst Ungläubige ehrfürchtig.




Unsere nächste Pilgeretappe durch den Schattenwald führt uns nach San Giovanni Rotondo, dem Geburtsort von Padre Pio. Der Kapuziner Mönch war wohl der letzte wirkliche Popstar der katholischen Kirche. Vor 55 Jahren gestorben, lebt er heute noch in Amuletten, Heiligenbildchen und selbst auf Fingerhüten weiter. Seit 2002 ist er heiliggesprochen und er ist immer noch für viele Wunder, die so passieren können, zuständig. Auch wir erliegen seinem Zauber in einem der vielen kleinen Nippesläden. Nun klebt er unter der Sitzbank, oder vielmehr ein Amulett mit seinem Konterfei. Für die einen war er ein Marketinggenie, für die anderen schon zu seinen Lebzeiten ein Heiliger. Charismatisch war er allemal und heute sorgt der Mönch mit den Wundmalen Christi in den Handflächen immer noch für wahre Umsatzwunder in all den Devotionalienläden. Selbst seinen Leichnam haben sie 2008 exhumiert und in der hypermodernen Grabeskirche nahbar in einem Glassarg aufgebahrt.



Es wird Zeit, die Kurve zu kriegen. Die Tiefebene, die sich von Foggia aus bis zum Golf von Manfredonia erstreckt, ist ein einziger Olivenhain. Dieses flache Schwemmland wird von einer schnurgeraden Straße bis hin zur Adria durchzogen. Im Rückspiegel sehen wir die letzten Erhebungen des Gargano. Fast wie eine Felsenfestung inmitten einer fruchtbaren Tiefebene.


„Aber es gibt Salvatore“, beruhigt sie uns, „und der räumt die Garage für Euch frei“.

Kurz vor Trani verlassen wir die Adriaküste und biegen nach Westen ab. Kirschplantagen in vollen Blüten huschen an uns vorbei. Unser Ziel ist Gravina in Puglia. Dieser Ort mitten im Herzen des Nationalparks Alta Murgia ist für uns gleich eine mehrfache Überraschung. Unser B&B liegt nicht nur direkt an dem berühmten Aquädukt über der 100 Meter tiefen Schlucht, sondern hier hat sich auch kein geringerer als Daniel Craig als James Bond die Brücke heruntergestürzt. Seitdem ist dieser kleine, etwas verschlafen wirkende Ort kein Geheimtipp mehr. Die Toplage unserer Unterkunft hat aber leider keinen Parkplatz für unser Motorrad: „Giovanni ist leider nicht da“, entschuldigt sich Eugenia, unsere Vermieterin. „Aber es gibt Salvatore“, beruhigt sie uns, „und der räumt die Garage für Euch frei“. Kurze Zeit später scheucht ein liebenswerter Italiener extra für uns seine Katzen aus der Gewölbegarage seines Palazzo. Das ist beste Nachbarschaftshilfe.




Im Ort treffen wir Marco, der im Halbschatten einer Garage steht und einen Tonklumpen knetet. Er winkt uns rein und zeigt uns kleine Terrakotta-Pfeifen in Form eines kleinen Vogels, bemalt in den Farben Gelb, Grün, Blau und Rot. “Das ist eine Cola Cola”, erklärt er uns. Der Klang ist zweistimmig. Und je kleiner, desto ohrenbetäubender klingt sie. Hier, hört mal. Er holt Luft und ein schriller Ton erschallt. “Das bringt die gute Jahreszeit zurück und verspricht dir Wohlstand", sagt Marco. Die Cola-Cola Pfeifen gehören zu Gravina wie das Aquädukt und er führt das Familienhandwerk in der 5.Generation. Ach ja, die Streifen, die haben natürlich auch eine Bedeutung, erklärt er uns. Sie stehen für Wein, Weizen, Wiesen und Wolken. Mit drei Pfeifen sitzen wir wenig später auf unserem Motorrad und hoffen auf gute Jahreszeiten.



Ein kurzer Fingerzeig auf der Landkarte nach Südost und wir landen in der Basilikata. Auf der Straße sind es nur 30 min. und wir erreichen die Regionalgrenze. Dieser Ausflug in eine der am dünnsten besiedelten Regionen Italiens ist ein Muss auf dieser Tour. Denn hier liegt Matera, die Felsenstadt und Wiege der Menschheit. Darunter macht es Matera nicht, und das mit Recht.



So muss Jerusalem zur Zeit der Kreuzritter ausgeschaut haben

Vor 20.000 Jahren haben hier schon unsere Vorfahren in Höhlen gehaust. Heute drängen sich an die 400 Höhlenwohnungen dicht an dicht am Hang. Von der gegenüberliegenden Aussichtsplattform Murgia Timone schauen wir auf das Höhlenmeer aus Sandstein. So muss Jerusalem zur Zeit der Kreuzritter ausgeschaut haben.




Kaum vorstellbar, dass all das mal die nationale Schande Italiens war. Hier wurde in den “Sassi”, den Steinen, wie die Stadt genannt wird, in erbärmlichen Verhältnissen bis in die 1950er Jahre gehaust. Familien mit bis zu acht Kindern in einem Höhlenraum waren die bittere Realität. Hinzu kam noch das Vieh als wichtige Lebensgrundlage. Die natürliche Wärme der Tiere nutzen die Familien in den feuchten und kalten Höhlen auch gleich als Heizung.


Es waren bis zu 15.000 Menschen, die ohne Kanalisation hier gelebt haben. Von 1000 geborenen Kindern starben damals fast die Hälfte. Eine unfassbare Zahl. Als die Regierung in Rom sich dieses Themas ab 1954 endlich annahm, wurden die Familien umgesiedelt und die Sassi standen leer. Erst Mitte der 1980er Jahre kamen die Menschen zusammen mit privaten Investoren zurück. Kurze Zeit später wurden in den Höhlen die ersten schicken Hotels eröffnet. Wer also will, der kann heute dort luxuriös wohnen, wo einst der Urmensch hauste. Wir schlendern durch eine Stadt, die nur aus Treppen besteht. Ein Wirrwarr noch dazu, in dem wir uns gerne verlaufen. Jede Ecke bietet einen neuen phantastischen Blick auf die kahlen Berghänge mit ihren Höhlen.


Die Sonne bricht kurz durch die dunklen Wolken und streut ihr spätes Licht auf die Ruinen - ein apokalyptische Szenerie.


Hinter Matera beginnt direkt eine fließende Hügellandschaft, soweit das Auge reicht. Alte, verwitterte “muretti secci”, die Trockenmauern begrenzen hier große Ackerflächen. Zwischendrin kleine Herden grasender Langhornrinder. Ab und an huscht ein kleines Gehöft an uns vorbei - mehr gibt es hier nicht. Dann sind auf einmal die Telefonmasten verschwundenen und Straße wird schlechter. Teilweise fehlen ganze Asphaltstücke, einfach zerbröselt. Selbst die obligatorischen Tankstellen vor größeren Siedlungen fehlen. So holpern wir noch ein ganzes Stück weiter. Hinter einer Linkskurve taucht dann für uns unverhofft eine Dorfruine auf einem Felsen auf. Das Dorfschild steht noch. Craco steht drauf. Die Sonne bricht kurz durch die dunklen Wolken und streut ihr spätes Licht auf die Ruinen - ein apokalyptische Szenerie. Dann sind die Wolken wieder da.





Craco ist seit 55 Jahren ein ‚Lost Place‘. Wir schließen uns einer Führung an. „Das ist die innenliegende Mauer des Kinosaals”. Unser Führer deutet auf einen Mauerrest, der an einen grünen Hang angrenzt, auf dem Esel grasen. Ein schaurig schöner Anblick. Hollywood schaut hier regelmäßig vorbei. Auch Mel Gibson hat das Ruinendorf in seinen Film über die ‚Passion Christi‘ als Kulisse verwendet.



Das Ende von Craco ist eine lange Geschichte von Unkenntnis und unglücklicher Fügung. Begonnen hat es mit einem Fortschritt. In den 1950er Jahre wurden Wasserleitungen verlegt. Doch man hat die ehemaligen Zisternen nicht ausgetrocknet. Sie liefen weiterhin voll und unterspülten die Tonfundamente der Häuser. Dann kam die Sache mit dem Fußballplatz, der unterhalb gebaut wurde. Für diesen Platz wurde einige Tonnen Erdreich bewegt. An eine Stützmauer hatten die Verantwortlichen zwar gedacht, jedoch erreichte sie trotz ihrer 50 Meter Tiefe nicht den felsigen Untergrund. Starkregenfälle gaben dem lehmigen Boden dann den Rest und Teile von Craco rutschten daraufhin den Hang hinab. Dann folgte die Räumung und hunderte von Familien verloren ihr Zuhause. Seitdem kommt man in die eingezäunte Stadt nur noch mit Führer, der vorher Baustellenhelme an die Besuchergruppen verteilt. “Es ist ein trauriges Ende mit Ansage” schließt unser Führer mit einer achselzuckenden Geste, wie es nur ein Italiener kann.


Das Stadtzentrum ist dann auch so, wie wir es befürchtet haben - Gut gefüllt mit Touristen und in jedem renovierten Trulli ein Andenkenladen.

“Ihr müsst noch unbedingt Alberobello besuchen”. Im fast jedem B&B haben wir es gesagt bekommen. Der Besuch scheint unvermeidlich zu sein. Also machen wir uns auf in die Stadt, wo die kleinen Bauernhütten mit ihren Spitzdächern aussehen wie kleine Zwergenhütten und liebevoll Trulli genannt werden. Zwischen Taranto und der Adriaküste werden wir von den vielen kleinen Trulli wirklich überrascht.



Vergessene Erinnerungen an die Märchenparks meiner Kindheit werden wach. Oder ist das doch eher das Land der Schlümpfe? Entstanden sind diese grauen Schindelhäuser aus einer Verzweiflung. Ferdinand, der 1. von Aragon und König von Neapel forderte 1481 für jedes Dach eine saftige Steuer. Also kam jemand auf die Idee, ohne Mörtel zu bauen. Kam nun einer der Steuereintreiber Ferdinands des Weges, wurde die Hütte einfach eingerissen. Was blieb, war ein Haufen steuerbefreiter Steine. Erst 1791 wurde diese Steuer abgeschafft. Heute können die Trulli-Besitzer sogar Steuern sparen, wenn sie in den Erhalt dieser Stein-Spitzhütten investieren. Alberobello ist das Herz der Trulli und entsprechend voll mit den Zwergenbauten.



Das Stadtzentrum ist dann auch so, wie wir es befürchtet haben - Gut gefüllt mit Touristen und in jedem renovierten Trulli ein Andenkenladen. Wir finden die Originale da draußen auf dem Land viel schöner und starten schnell wieder durch.


Die meisten dieser uralten knorrigen Riesen sind bis auf den letzten Ast kahl geschnitten. Das ist kein Pflegeschnitt, sondern eine Verzweiflungstat.

Entspannt cruisen wir durch die jahrhundertealten Olivenhaine des Salento. Ein Mohnblumenteppich bedeckt hier die rostbraune Erde. Wir haben den Absatz des italienischen Stiefels erreicht. Rund 40 Prozent der gesamten italienischen Olivenölproduktion Apuliens stammen von hier. Es ist das "Gold von Apulien”, wie die Pugliesi es nennen. Die meisten dieser uralten knorrigen Riesen sind bis auf den letzten Ast kahl geschnitten. Das ist kein Pflegeschnitt, sondern eine Verzweiflungstat.



Die Bäume hier sind massiv bedroht. Das aggressive Feuerbakterium Xylella fastidiosa hat die Bäume befallen und trocknet den Baum von innen her aus. Der Schaden wird bereits auf 1,2 Milliarden Euro geschätzt. Über Rotterdam soll das Bakterium seinen Weg von Südamerika mit einer Lieferung Oleander nach Apulien gefunden haben. Und es wandert: Aktuell ist die Region Bari befallen. Die Bauern hoffen, dass sie mit diesem Kahlschlag diesen Horror irgendwie stoppen können. Wenn das nicht gelingt, müssen die Bäume verbrannt werden. Ein Szenario wie aus einem schlechten Film, doch diese jahrhundertealte Kulturlandschaft ist ganz real bedroht.



Die Silhouette von der weißen Stadt Ostuni holt uns aus unseren düsteren Gedanken. Hier stehen die Olivenbäume noch in ihrer ganzen Pracht und rahmen die Stadt förmlich ein, die weiß leuchtend auf drei Hügelkuppen liegt. Besser hätten wir unsere Espresso Pause nicht wählen können. Dass daraus eine üppige Schlemmerei wird, daran sind einzig und allein die Pasticciotti schuld. Für uns der Star aller Schlemmereien in dieser Gegend. Ein kleines Törtchen bestehend aus Mürbeteig, randgefüllt mit Puddingcreme und dann noch garniert mit Puderzucker. Ein purer Genuss, zum Reinsetzen.


Apulien hat viele schöne Gesichter, doch Lecce setzt allem die Krone auf. Vielleicht liegt das auch an dem Gewitter, das uns bei der Ankunft auf der “Hacke des italienischen Stiefels” erwischt hat. Oder vielmehr die Sonne, die die nassen Fassaden und Gassen der Altstadt zusätzlich erstrahlen lassen. Aber auch ohne diesen Naturglanz ist Lecce eine einzige Pracht. “Florenz des Südens” oder “Wiederauferstehung des Rokokos”, viele Vergleiche mussten bisher herhalten, um die Stadt mit ihren prunkvollen Palazzi zu beschreiben. Gebannt starren wir auf die Piazza del Duomo mit ihrer Kathedrale im Hintergrund. Es scheint, als ob hier die Zeit stehengeblieben ist. Doch die Neuzeit holt einen spätestens im Glockenturm ein. Es gibt keine Treppen, nur einen Aufzug, der uns in Windeseile nach oben befördert. Der Blick über die Stadt zeigt dann die ganze Pracht der Sandsteinbauten. Spontan entscheiden wir uns, zwei Nächte zu bleiben. Das will ausgekostet werden.




Wir haben das Ende der Welt erreicht oder den Anfang von allem, wie man es mag.

Eine gewundene Straße führt uns an der felsigen Adriaküste immer näher zur Absatzspitze. Leichte Lenkbewegungen reichen, um die feine Küstenlinie auf der Straße nachzuzeichnen. Immer wieder passieren wir ausgestorbene Urlaubsorte, die auf saisonale Wiederbelebung warten. Kurz vor Santa Maria di Leuca biegen wir scharf links ab und einen Kilometer weiter geht nichts mehr - Finibus Terrae. Wir haben das Ende der Welt erreicht oder den Anfang von allem, wie man es mag. Es ist der südlichste Punkt Apuliens. Hier trifft sich Adria und Ionisches Meer. Wer auf dem Weg ins Paradies ist, der muss hier vorbei, sagen die Pugliesi. Kein Wunder, denn Petrus hat hier zum ersten Mal seinen Fuß auf italienisches Festland gesetzt.



In den Bars pressen die Baristi im Accord Espressi aus den Kaffeemaschinen und unten am Hafen ziehen die Fischer laut gestikulierend ihre Netze auf die Mole.

Eine tiefschwarze Gewitterwolke begleitet uns auf der kurzen Etappe an der ionischen Küste entlang. Es tröpfelt leicht, als wir Gallipoli erreichen. Heute ist Fischmarkt. Die dreirädrigen Lastenesel mit ihrer frischen Meeresware auf der Ladefläche drücken sich durch eine quirlige Passantenmenge. In den Bars pressen die Baristi im Accord Espressi aus den Kaffeemaschinen und unten am Hafen ziehen die Fischer laut gestikulierend ihre Netze auf die Mole. Daneben steht ein windschiefer Stand mit Seeigeln und wer mag, der kann die orangefarbenen Eier direkt auslöffeln.




Die Stadt ist heute ein übergroßes Wimmelbild. Der Tourist kommt und geht, aber Gallipoli ist, wie es ist, heißt es hier. Hier wird einfach nur mediterran gelebt, und das seit 2500 Jahren zwischen Meer und Fisch. Entsprechend viele Fischrestaurants gibt es. „Aber das Beste ist mit Abstand das ‚Il Bastione‘ sagt Simonetta, unsere Vermieterin, „Hier stimmt alles und wenn ihr Glück habt, klappt das ja heute noch auf der großen Meeresterasse des Restaurants mit dem Sonnenuntergang“. So ganz funktioniert das zwar nicht mit der Abendsonne, aber der Rest ist dafür unschlagbar köstlich.



Direkt hinter Gallipoli reißt der Verkehr ab. Jetzt rollen wir wieder allein die Küstenstraße in Richtung Norden hoch. Ab und an kleine Sandbuchten, die durch bizarre Felsbarrieren getrennt sind. Die Gewitterwolke hat sich mittlerweile aufs Meer verzogen. Die Sonne nutzt direkt ihre Chance und das Meer dankt es mit azurblauen Tönen. Jetzt ist uns warm, ganz so, wie es hier im Süden Italiens sein soll.



So lange waren wir unterwegs

16 Stunden reine Fahrtzeit

7 Tage (ohne Besichtigungen)



Das stand am Ende auf dem Tacho

930 km



Hier geht es lang

Lago di Varano, Peschici, Vieste, Mattinata, Monte Sant`Angelo, San Giovanni Rotondo, Manfredonia, Trani, Gravina in Puglia, Matera, Craco, Alberobello, Ostuni, Lecce, Santa Maria di Leuca, Gallipoli

Was zum Nachlesen


Gebrauchsanweisung für Apulien und die Basilikata, dieses Buch stimmt herrlich charmant auf Land und Leute ein. Die Autorin Maria Carmen Morese stammt aus Apulien (Piper Verlag 2016)


dasmeerundapulien.com ist ein privater Apulien-Blog von Alexandra Horn, die damit eine Brücke zwischen den Kulturen bauen möchte, wie sie sagt. Eine tolle Seite, die über den Tourismus hinaus einen guten Einblick in Land und Leute gibt.


reise-nach-italien.de ist eine Webseite für einen raschen Überblick. Über Apulien gibt es viele Artikel, die einen fürs Erste gut orientieren.


So kommt Ihr hin

Eine Anreise von Deutschland ist zwar lang, aber alle Wege treffen sich irgendwann in Bologna. Von dort geht es über Ancona in Richtung Foggia. Wer zwei bis drei Tage einplanen kann, der ist auf der sicheren Seite. Wir sind diesmal mit PKW und Anhänger angereist und haben beides bei Freunden in den Marken zwischengeparkt.



Was Euch erwartet

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Apulien ist hügelig bis flach und daher kein Kurvenparadies. Die einzige Ausnahme ist der Naturpark Gargano mit seinen Serpentinen. Ansonsten geht es im Rest der Region eher geschwungen statt kurvig und eher entspannt statt hektisch zu. All das passt zum mediterranen Flair Apuliens. Wer die Schnellstraßen meidet, der wird sogar auf den kleinen Provinzstraßen die meiste Zeit allein unterwegs sein. Nur im Sommer sollten die überlaufenden Küstenorte gemieden werden, aber das versteht sich ja von selbst. Die beste Reisezeit ist das Frühjahr und der Herbst. Im Frühjahr kann es mitunter ganz schön frisch werden, also warme Klamotten mitnehmen.


Unbedingt vorbeischauen

Die für uns fünf großen Highlights Apuliens (und der Basilikata):


Matera

Matera (liegt übrigens in der Basilikata) ist einfach nur beeindruckend. Eine Höhlenstadt, die schon vor 7000 Jahren bevölkert war. GPS N 40.667339, E16.604506


Gargano

Der Naturpark Gargano ist eine der artenreichsten Regionen Italiens und sollte dank seiner kurvigen Küstenstraße mit den packenden Ausblicken fester Bestandteil eines Apulien Roadbooks sein. GPS N 41.781844, E 15.851642


Craco

Der Zauber des verlassenen Felsendorfes Craco steckt in seinem Verfall. Dahinter liegt eine tragische Geschichte über Irrtümer und Fehleinschätzungen. Denn Teile des Ortes sind irgendwann den Hang hinuntergerutscht. Ein Lost Place mit morbidem Charme. Der verlassene Ort kann mit einem Führer besichtigt werden. Die Führungen werden in italienisch und englisch angeboten. Die Tickets kosten € 11 und können im nahe gelegenen und mittlerweile auch verlassenen Konvent San Pietro gekauft werden. Eine Webseite ist derzeit nicht verfügbar. GPS N 40.381592, E 16.435114


Lecce

Die ganze Stadt ist eine einzige Überraschung. Wer vermutet schon die Wiederauferstehung des „Rokoko” in diesen südlichen Gefilden? Viele Vergleiche mussten bisher herhalten, um die Stadt mit ihren prunkvollen Palazzi zu beschreiben. Die Altstadt ist voll mit historischen Palästen und bombastischen Kirchen. Unbedingt mit einplanen. GPS N 40.353053, E 18.175207


Castel del Monte

Die 1240 erbaute Festung des Stauferkönigs Friedrich II. ist die Krone Apuliens. Ihre Besonderheit besteht aus acht Türmen, die einen achteckigen Innenhof umspannen. Auf jeden Fall einen Stopp einplanen. GPS N 41.084936, E 16.270989



Hier schläft es sich gut

In diesen Unterkünften haben wir uns pudelwohl gefühlt:


Edward B&B, Trani

Wer es mal anders als sonst haben mag, der sollte hier übernachten. Luxuszimmer in einem alten Stadtgebäude mitten im Zentrum. Ein öffentlicher bewachter Parkplatz ist 700 m die Straße hinunter und für 5,— unschlagbar günstig: Camper Park, Via Finanzieri 7, Trani

GPS N 41.277989, E 16.416018 edwardrooms.it

Hotel Casino Ridola, Matera

Direkt in der Nähe des Stadtzentrums gelegen und nur gute 15 min zu Fuß zu den Sassi - den Höhlen von Matera. Das Hotel hat einen eigenen Parkplatz, der abends zugesperrt wird.

GPS N 40.658448, E 16.611316 hotelridolamatera.it

Hotel Domus Antiqua, Alberobello

Am Rande der Trulli Zone liegt dieses Hotel, eine ehemalige Schlachterei mit eigenem Parkplatz. Wer in einem typischen Trulli mitten in der „Trullizone“ der Altstadt übernachten will und mit dem Motorrad unterwegs ist, der sollte vorher fragen, ob ein bewachter Parkplatz in der Nähe zur Verfügung steht.

GPS 40.787213, E 17.242242 domusantiquaresidence.it

Hotel Arryvo, Via Adua 24, 73100 Lecce

Hippes Hotel mit funktionalen Zimmern, fairen Preisen und einem gigantisch guten Frühstück. Die Lage ist unschlagbar gut für Motorradreisende. Direkt am Rande des Centro Storico gelegen und mit einem bewachten Parkplatz unmittelbar in Hotelnähe. GPS 40.354733, E 18.166929 arryvo.com

B&B del Ponte, Via Fontana la stella 59, Gravina in Puglia

Ein Palazzo in bester Lage direkt am 37 Meter hohen Aquädukt gelegen, wo sich Daniel Craig alias James Bond in “Keine Zeit zu sterben” mit den typischen Bösewichten eine wilde Verfolgungsjagd geliefert hat. Die Turmzimmer haben einen direkten Blick auf die Brücke und das weite Umland. GPS N 40.820391, E16.414283 bebsulponte.it


Hier schmeckt es


Ristorante l‘ Osteria al Duomo in Vieste (Gargano)

Preiswert und hochwertige Küche, viele Fischvariationen zu akzeptablen Preisen mitten in der Altstadt von Vieste gelegen. GPS 41.882406, E 16.180956

Martinucci Laboratory Centro Storico Gallipoli

Bester Platz für die Pasticciotti, die es hier sogar vegan gibt. GPS N 40.055061, E 17.978278 martinuccilaboratory.it


Artigiani del Gusto, Mattinata

Klein aber oho. Das Restaurant hat direkten Blick aufs Meer, die Preise sind unschlagbar gut und der Service in bester italienischer Art freundlich und zugewandt.

+39 342 8405753 GPS N 41.707030, E 16.0482988 facebook.com/DiCilibertiFederico/


Ristorante Il Bastione, Gallipoli

Alles, was man mit Fisch auf den Teller zaubern kann, gibt es hier in diesem Restaurant, das direkt am Meer liegt. Da Gallipoli an der Westküste des Salento liegt, ist der Sonnenuntergang ein Teil des schönen Ambientes. +390833263836 ilbastionegallipoli.it GPS N 40.052796, E 17.974262 ilbastionegallipoli.it



286 Ansichten1 Kommentar

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page